Fragen an Dr. Astrid Schröder (Leiterin des Fachbereichs Deutsch an den Duden Instituten für Lerntherapie, Patholinguistin, Sprachtherapeutin und promovierte Sprachwissenschaftlerin) zum Sprachgebrauch beim Mathematiklernen
von Jana Köppen, Fachbereichsleiterin Mathematik der Duden Institute für Lerntherapie
Schröder: Störungen der Sprachentwicklung sind sehr komplex und treten in verschiedenen Schweregraden und Ausprägungen auf. Dies kann alle oder einzelne Bereiche der Sprache betreffen, also z. B. die Aussprache, den Wortschatz oder die Grammatik. Häufig treten Schwierigkeiten nicht nur in der Produktion, sondern auch beim Verstehen von geschriebener und gesprochener Sprache auf. Im Bereich des Wortschatzes äußert sich dies z. B. darin, dass die Kinder die Bedeutung bestimmter Wörter nicht verstehen.
Aber auch die Fähigkeit, neue Wörter zu erwerben, kann eingeschränkt sein, d. h., der Wortschatz ist insgesamt weniger umfangreich. Es können auch Wortfindungsprobleme auftreten, bei denen das Kind bestimmte Begriffe in einer bestimmten Situation nicht anwenden kann, aber z. B. durch gestische oder verbale Umschreibungen deutlich macht, dass es diese kennt und diese auch versteht.
Schröder: Das Sprachverständnis nimmt auch beim mathematischen Lernen eine wichtige Rolle ein. Im Bereich des Wortschatzes findet eine Begriffserweiterung statt: Viele bekannte Begriffe müssen mit neuen Bedeutungen verknüpft werden (z. B. gerade/ungerade, größer/kleiner/gleich, vor/nach, mehr/weniger) und es kommen zahlreiche neue abstrakte Fachbegriffe hinzu.
Hier spielen unter anderem Relationsbegriffe eine große Rolle. Sie beschreiben Beziehungen oder machen vergleichende Aussagen: Wir lesen in Aufgaben etwas, wie „ ... größer als ...“ oder „ ... genauso viele wie ...“. Die Kinder müssen hier zum Beispiel lernen, dass sich die Bezeichnung „größer als“ auch auf eine Quantität beziehen kann. Das Konzept für das Wort „groß“ (z. B. Das Haus ist groß, Lisa ist größer als Max) muss jetzt um ein abstraktes Wissen über Mengen erweitert werden. Ich kann zum Beispiel die Zahl 2 ganz groß auf ein Blatt schreiben, und die Zahl 9 ganz klein daneben – deshalb bleibt die 9 immer noch „größer als“ die 2.
Gleichzeitig muss das Verständnis für viele „kleine“ Wörter, wie z. B. die Präpositionen an, über, zwischen, vor (räumlich und zeitlich), vorhanden sein. Aber auch das Verständnis von Partikeln in trennbaren Verben (z. B. ich zähle ab, ich rechne aus) und von Fragepronomen (z. B. warum, wann, weshalb) spielen eine wichtige Rolle.