Mathematikunterricht zu Großmutters Zeiten und heute (4)

Einige Überlegungen zu Veränderungen im Mathematikunterricht

Im Mathematikunterricht vor 75 Jahren ging es erheblich langsamer voran. Das stundenlange Üben (Drillen) der Themen war gang und gäbe, so die Befragten. Die Aufgaben mussten die Kinder nach immer wieder der gleichen Rechenstrategie lösen. Spielraum für schöpferisches Analysieren von Aufgaben und das Gehen von eigenen Wegen gab es wahrscheinlich weniger. Das Auswendiglernen hatte einen hohen Stellenwert. Für Kinder, denen das logische Denken schwerfällt, war das ein Weg, um Erfolge beim Mathematiklernen zu erzielen. Für jene, denen das Auswendiglernen Mühe macht, die vorgegebene Rechenwege schnell wieder vergessen, die aber mit logischen Strategien zum Ziel kommen, wäre es früher im Mathematikunterricht wohl eher unbefriedigend gewesen.

Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Deutschland zu einem Industriestaat. Wirtschaftliche und technische Intelligenz wurden immer wichtiger – ein entsprechender Schulunterricht wurde nötig. Im Meraner Lehrplan für Mathematik für die Gymnasien von 1905 wurde gefordert, dass bei den Schülern das logische Denken und das selbstständige Nachdenken gefördert werden sollte. Weiterhin sollten das räumliche Anschauungsvermögen und das funktionale Denken gestärkt werden, dazu gehörten auch das Analysieren von Umweltsituationen und die Entwicklung der Fähigkeit, diese zu mathematisieren und zu formalisieren. Die Lernenden sollten vorbereitet werden, in den später folgenden Ausbildungen beispielsweise technische und kaufmännische Berechnungen durchführen zu können.

Solche Ziele hielten zunächst aber noch nicht in den Grundschulunterricht Einzug. Die heutigen Lehrpläne und Schulbücher spiegeln die Forderungen von damals wider und gehen teilweise auch noch weiter. Heute sollen beim Umgang mit mathematischen Fragestellungen nicht „nur“ Rechentechniken, sondern auch Problemlösefähigkeiten, gutes sprachliches Argumentieren und Kreativität entwickelt werden.

Die Schlussfolgerungen aus diesen Forderungen für die Gestaltung von Lernprozessen werden stark diskutiert. Immer wieder werden neue Schwerpunkte oder Methoden als wichtig angesehen und in den Unterricht integriert. Das Erlangen von Freude an der Auseinandersetzung mit der Mathematik bleibt aber das wichtigste Ziel.

Um diese aufzubauen und zu erhalten, ist es aus meiner Sicht als Lerntherapeut besonders wichtig Kinder von Erfolg zu Erfolg zu führen.