von Dr. Lorenz Huck, Leiter des Fachbereichs interdisziplinäre Integration der Duden Institute für Lerntherapie
„Ich bin ja sehr froh, dass es zwischen Frau Weber und Ilja so gut läuft“, versichert mir eine Mutter, als ich mich nach ihrer Zufriedenheit mit der Lerntherapie ihres Sohnes erkundige. „Zwischen den beiden stimmt einfach die Chemie …“ Dieser Satz macht mich nachdenklich: Natürlich freue auch ich mich, dass Frau Weber und Ilja gut miteinander zurechtkommen. Ist es aber wirklich nur die undurchschaubare Wechselwirkung zwischen zwei Menschen, die „Chemie“, die dafür sorgt, dass eine Therapeutin und ein Kind zusammen gut arbeiten können? Können wir als Lerntherapeuten nichts dafür tun, dass wir gute Beziehungen zu „unseren“ Kindern haben?
Natürlich können wir! Bei einem kleinen Streifzug durch die Therapieräume eines Duden Instituts für Lerntherapie könnte man an einem typischen Nachmittag viele Varianten bewusster Beziehungsgestaltung beobachten: Ein Mädchen und eine Therapeutin schauen sich einen Katalog an und sprechen darüber, welches der Spielzeuge das Kind am liebsten hätte - ehe sie Einkaufen spielen (und dabei das Rechnen mit kleinen Geldbeträgen üben). In einer anderen Therapie wird erst vom Schultag berichtet und eine Entspannungsübung durchgeführt, bevor es losgeht. In einer dritten erfinden ein Junge und eine Therapeutin Quatschreime. Es wird gelacht, gebastelt und gespielt … Nach meiner festen Überzeugung sind alle diese Aktivitäten nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern für den erfolgreichen Verlauf einer Lerntherapie unersetzlich.
Abgesehen davon, dass Spiele und Gespräche in aller Regel eine didaktische Funktion haben, die für den Laien nicht offensichtlich sein muss, sind sie auch pädagogisch bzw. psychologisch nützlich: Sie geben Kindern und Jugendlichen Gelegenheit, den Therapeuten kennenzulernen und ihn hier und dort vielleicht sogar auf die Probe zu stellen.
Nur so können sie eine Reihe wichtiger Erfahrungen machen, die man aus ihrer Sicht vielleicht so formulieren könnte:
Manche Psychotherapeuten sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass man Beziehungskredit aufbaut. Gemeint ist, dass man die therapeutische Beziehung insgesamt so positiv gestaltet, dass das betroffene Kind sich im geschützten Rahmen der Lerntherapie auch auf emotional negativ besetzte Situationen einlässt. Dies ist notwendig, denn letztlich gilt: Lesen lernt man nur durch Lesen, Schreiben nur durch Schreiben und Rechnen nur durch Rechnen. In der Lerntherapie müssen wir Kindern und Jugendlichen also zumuten, dass sie sich an das heranwagen, was sie – zumindest ihrem eigenen Empfinden nach – nicht können und verstehen.
Beim Aufbau von Beziehungskredit spielt die Didaktik eine wichtige Rolle: Werden Aufgabenstellungen so gewählt und Materialien so eingesetzt, dass ein Kind nie überfordert ist und auf seinem Niveau regelmäßig Erfolge und kleine Fortschritte erlebt, wird es sich in der Lerntherapie und in der Zusammenarbeit mit einer bestimmten Therapeutin wohlfühlen. Spürt ein Kind zusätzlich, dass ein Therapeut sich auch abseits fachlicher Inhalte für seine Belange interessiert und ihm stets mit Wertschätzung begegnet, so entsteht eine gute therapeutische Beziehung, die auch dann trägt, wenn ein Kind einmal einen schlechten Tag hat oder eine Aufgabe nicht ganz optimal ausgewählt wurde.
Eine gute Beziehung zum Kind zu haben ist in der Lerntherapie nicht nur schön, sondern notwendig: Die „Chemie“ muss also stimmen – dem Zufall überlassen muss man das aber nicht!