Dr. Astrid Schröder, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung und des Fachbereichs Deutsch
Die Förderung der Leseflüssigkeit mithilfe von Lautleseverfahren nimmt an vielen Schulen und auch in der Lerntherapie häufig einen hohen Stellenwert ein. Dabei hat sich besonders das sogenannte Tandemlesen bewährt: Hierbei lesen entweder zwei Schüler/-innen oder ein Kind zusammen mit einem Elternteil, älteren Geschwisterkind oder dem Lerntherapeuten bzw. der Lerntherapeutin zu zweit, also im Tandem, einen ausgewählten Lesetext halblaut im Chor vor (z. B. Beck, 2017).
Tandemlesen: Ablauf
Hörbuchgestütztes Tandemlesen im Unterricht und zu Hause
Eine Alternative zum Lesen im Lesetandem bietet das hörbuchgestützte Lesen. Diese zunächst im englischsprachigen Raum wissenschaftlich untersuchte Methode wendete S. Gailberger (2011, 2012) mit Schülerinnen und Schülern der 8. und 9. Klassenstufe in einer Studie an. Schon nach wenigen Wochen des Tandemlesens mit Hörbüchern im Klassenverband zeigten die Lernenden deutliche Verbesserungen in der Lesegeschwindigkeit und im Leseverständnis.
Tandemlesen mit App, E-Book oder Audiodatei
Kindern und Jugendlichen mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesenlernen reicht das Üben in der Schule häufig nicht aus. Gerade ältere Lernende mögen aber häufig nicht mehr so gerne mit ihren Eltern gemeinsam lesen üben. Hier bietet es sich an, das hörbuchgestützte Lesen darüber hinaus zu Hause durchzuführen. Aber auch mit jüngeren Kindern lässt sich das Tandemlesen digital umsetzen, z. B. mithilfe von Lern-Apps und E-Books. So enthält die kostenlose App „Lesestart“ fünf verschiedene E-Bücher, bei denen eine Vorlesestimme aktiviert werden kann. Die Geschichten sind mit Geräuschen und Animationen unterlegt, sodass die Lernenden meist ein recht lebendiges Leseerlebnis erfahren.
Tandemlesen mit E-Book und Vorlesestimme
Hörbuchgestütztes Lesen von Sachtexten
In der Lerntherapie mit der Zehntklässlerin Alina haben wir das Text- und Audiomaterial des Projekts „Filius“ (ELiS, 2019) für das hörbuchgestützte Lesen eingesetzt (Schröder & Wotschack, 2020). Bei dem im Internet kostenlos zum Download verfügbaren Material handelt es sich um kurze Sachtexte zu den Themen Umwelt, Technik und Mathematik, Wald und Körper. Zusätzlich zum Lesetext stehen Audiodateien in drei Vorlesegeschwindigkeiten zur Verfügung. Dies erleichtert es, das Anforderungsniveau beim Lesen auszuwählen.
Lesen üben mithilfe des Smartphones
Alina übte während der Lerntherapie gemeinsam mit ihrer Therapeutin in jeder Therapiestunde jeweils einen Text im Lesetandem. Zu Hause las sie dann mit Unterstützung der Hörbuchdatei während der Woche selbstständig zwei weitere Texte. Dabei nutzte sie ihr Smartphone und konnte so die Audiodateien zu den Texten einfach und ohne Hilfe abspielen. In der Lerntherapie erweiterte Alina zusätzlich ihr Repertoire an Lesestrategien, z. B. durch das Interpretieren der Überschrift, Fragenstellen zum Text oder Markieren von Schlüsselwörtern. Mit dieser Methode konnte Alina in einem Zeitraum von gut zwei Monaten ihr Lesetempo erheblich steigern und das sinnentnehmende Lesen verbessern.
Lesefähigkeiten mit Unterstützung digitaler Medien weiterentwickeln
Unsere Erfahrungen aus der Lerntherapie zeigen: Die Förderung der Leseflüssigkeit kann durch den Einsatz digitaler Medien sinnvoll unterstützt werden. Viele Kinder und Jugendliche entwickeln eine hohe Motivation, mithilfe von Lese-Apps, E-Books oder Audiodateien ihre Lesefertigkeiten zu trainieren. Dabei kann der Einsatz dieser Medien die Übungen in der Einzelförderung selbstverständlich nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.
Literatur
Beck, L. (2017). Gemeinsam fit im Lesen. Lautlese-Tandems im Schulunterricht. Trägerkonsortium Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS).
ELiS – Evidenzbasierte Leseförderung in Schulen.
Gailberger, S. (2011). Lesen durch Hören. Weinheim: Beltz
Gailberger, S. (2012). Lesen mit Hörbüchern. Förderung der Leseflüssigkeit und Lesemotivation. Deutsch differenziert, 2, 31‒38
Schröder, A., & Wotschack, C. (2020). Förderung der Leseflüssigkeit ‒ analog und digital. Erfahrungen aus der Lerntherapie zum Einsatz von Lautleseverfahren. Grundschulunterricht Deutsch, 4, 41‒45